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Ein ultraflaches glitzerndes Wunderding mit 250 Jahren Geschichte: Breguet Classique 5157

Aktualisiert: 22. Juli



Eines Morgens wachte ich mit einem Gedanken auf:


Warum immer nur Stahlsportuhren hinterherrennen, oder sich mit den überlichen Verdächtigen zum Anzug zufriedengeben?


Warum nicht einfach mal Werbeanzeigen und PR-Texte, sowie die immer gleichen Insta-Stories ignorieren, aus dem glattgelaufenen Straßen des Mainstreams heraustreten und herausfinden, welche Uhr ich allein wirklich möchte, was zu mir passt?


Da ich bei der Arbeit immer noch Anzug trage, weiterhin Krawatten und rahmengenähte Schuhe schätze, sowie mich klassischer Stil und echtes Handwerk faszinieren, musste ich mich über mich selbst wundern: Wenn ich doch bei Hemden und Schuhen nur Handarbeit kaufe und bei Anzügen die Rosshaarverstärkung diskutiere, warum bin ich dann bei Uhren mit Stangenware zufrieden? Ich will Kunsthandwerk; ich will eine Antithese zu am Fließband in 100.000er Auflage hergestellten Uhren, die erst durch Marketing zum Luxusprodukt werden, mit dem der Nebenmann beeindruckt werden soll. Auf einem Anzug trage ich doch auch keinen Markennamen und keine Krone. Da macht es doch am Ende die Verarbeitung der Schulterpartie aus.


Ich suchte von da an das Gegenteil, den diskreten Charme der Bourgeoisie. Und was für eine Freude diese Suche im war. Es ging nicht mehr um Verfügbarkeiten und Trends, um Wiederverkauf, sondern ich traf Menschen, die etwas zu erzählen hatten, die sich etwas gedacht hatten, die nicht auf einen Massenmarkt zielten.


Über mehrere Wochen genoss ich es, an meinem ganz persönlichen Lastenheft zu arbeiten. Die Uhr sollte von außen absolut zeitlos elegant sein, innen vollendete Haute Horlogerie bieten und als echte Handarbeit in Kleinserie entstehen. Ich wollte eine Uhr gegen den Zeitgeist, die ich so schnell nicht noch einmal sehe und die keiner dieser Crypto-Bros auf Youtube als Geldanlage empfiehlt.


Immer tiefer stieg ich ein: Sie sollte superflach sein und wie bei einem Anzug sollten die Proportionen nicht modisch sein, sondern optimal zu mir passen – also kein 40mm-Teller. Unbedingt brauchte sie auch römische Ziffern. Und bei einer Dresswatch muss es auch Gold sein, fand ich. An dieser Stelle wollte ich aber nicht zu tollkühn werden. Denn am Ende will ich die Uhr ja auch zur Arbeit tragen und ich bin nun mal kein Oligarch. Also suchte ich nach etwas aus Weißgold. Um es auf die Spitze zu treiben, wollte ich schließlich einen majestätischen Zweizeiger, bei dem ich dem Minutenzeiger bei seinem gemessenen Schritt zusehen kann. Mit dieser Uhr am Arm wollte ich mich von Niemanden hetzen lassen.


Meine erste Recherche führte mich zum Forums-Darling Lange. Die Uhren gefielen mir von der Rückseite her, aber das Gehäuse hatte für meinen Geschmack keine Finesse, sondern war technokratisch-kühl wie ein Audi. Ich bin aber nun mal eher der Alfa-Romeo-Typ. Das war mir einfach zu uninspiriert. Weiter gings zu Blancpain. Noch in der Vitrine liegend, war ich sofort begeistert von der Villeret Ultraplate. Die eingedrehten aufgesetzen römischen Ziffern im typischen Fond sind gleichzeitig dezent und opulent. Am Arm getragen folgte aber die Ernüchterung. Die 40mm ließen mich wie einen Kellner wirken, der die Servierplatte etwas ungewöhnlich auf dem Arm anträgt. Das war zwar eine Art Alfa-Romeo, aber ein SUV. Schade.





Aber dann machte ich eine Entdeckung: Breguet fertigt tatsächlich einige Modelle der Classique-Serie in 38mm. Das war mir vorher entgangen, denn leider ist die Internet-Seite im Design auch von 1775 oder so. Die Uhren werden leblos von direkt oben gezeigt wie eine Jagdstrecke. Diese Webseite verbirgt die sensationelle Eigenschaft der Zweizeiger-Variante: Sie ist nur 5.4 mm hoch – und dass als Automatik mit einem regulären Werk! Von da an waren mir alle anderen Uhren egal. Ich wollte dieses ultraflache, glitzernde Wunderding mit der strengen Optik, das so ganz anders ist als alle anderen.


Breguet gründete seine gleichnamige Manufaktur 1775. Seitdem werden bei Breguet durchgängig Uhren hergestellt. Die Geschichte der Maison ist also älter als die der USA und Frankreichs (und der fast aller anderen Uhrenmarken sowieso). Man belieferte diverse Königshäuser. Hier hätte eine Krone als Symbol in meinen Augen mehr Sinn ergeben als bei bürgerlicheren Mitbewerbern. 


Durchgängige echte Tradition heißt für mich: Breguet ist in der Lage, auch Uhren zu reparieren, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Und bei Breguet kann ich mich als Erstkäufer in die Kundenliste eintragen lassen, die seit 1780 im Archiv in Paris durchgehend geführt wird. Man wird dann Mitglieds eines Clubs, der u.a. Napoleon (er kaufte seine Breguet vor der mäßig erfolgreichen Ägypten-Expedition 1798 und sie zeigte ihm wohl die rechte Zeit zu verschwinden), Churchill (er war im Krieg erfolgreicher und mit Minutenrepetition und Flyback-Funktion auch sehr gut ausgestattet) sowie die diverse andere Magnifizienzen und Spektabilitäten umfasst (über diverse osteuropäische Despoten schweigen wir. Aber wer will ihnen die Faszination verdenken, hatte doch Zar Alexander I. auch eine Breguet).


Was mich aber am meisten fasziniert, ist die stringente Verbindung der heutigen Uhren mit den damaligen. Es ist wie bei einem Anzug-Schneider von der Savile Row – es gibt einen Haus-Schnitt, der über viele Dekaden immer nur leicht variiert wird, ein eigenes Verständnis von Ästhetik. Bei Breguet gehen zeitloser Stil und absolut modernste Technik zusammen. Schon in den ersten Jahren entwickelte Breguet technische Innovationen wie das Tourbillon; in den letzten Jahren kamen 900 Patente hinzu, u.a. für Magnetzapfenlagerungen und 10 Hz.-Werke.


Aber bleiben wir bei der Classique, die ich mir gekauft habe. Sie ist als Dresswatch bis auf Aufrüstungen mit Silikon-Bauteilen kein Technologieträger, sondern ein Stilträger. Das Modell 5157 wurde 2005 auf der Basel World präsentiert als Nachfolger der 5130. Es wird bis heute hergestellt. Die 5157 verfügt über ein ultraflaches Automatik-Kaliber, so dass trotz eines Glasbodens eine beindruckend niedrige Gesamthöhe der Uhr von nur 5.4 mm erreicht wurde. Die niedrige Bauweise wurde vor allem dadurch möglich, dass der Rotor verkleinert und leicht desachsiert eingebaut wurde – und dafür extraschwer als 22 Karat Gewicht ausgeführt ist. Für diese Lösung erhielt F. Piguet 1967 ein Patent. Das daraus abgeleitete Kaliber 70 war seinerzeit das weltweit flachste Automatikwerk mit zentralem Rotor. Wenn man so will ist das Kaliber 70 der Dresswatch-Bruder des El Primero-Chronographen, beide kennzeichneten die Hochblüte der mechanischen Uhren vor der Quartz-Krise. F. Piguet belieferte früher diverse Uhrenhersteller des oberen Segments wie z.B. AP, Blancpain, Daniel Roth und Gerald Genta. Mittlerweile ist die Herstellung in Blancpain integriert, die wie Breguet unter dem Dach der Swatchgroup arbeiten. Zum Kaliber später mehr.



Das Gehäuse





Widmen wir uns erst dem Gehäuse. Denn es gilt das Bonmot von Breguet-Besitzer Winston Churchill: „Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Der weißgoldene Leib bietet dem Werk ein wohnliches Plätzchen. Mit 38 mm Gehäusebreite hebt sich die Uhr von Vintage-Dresswatches (und dem Vorgänger mit 35 mm) ab, ohne dem damaligen Zeitgeist von übergroßen Uhren zu huldigen. Als elegante Uhr ist die Lünette extra schmal ausgeführt. Sie wirkt am Arm deshalb größer als die 38 mm es erwarten lassen. Der bestimmende Eindruck ist: Hier wurde an nichts gespart. Das zeigt sich an in allen Details der typischen Breguet-Sprache:


  • Eine eingravierte Nummer – hier auf dem Zifferblatt zu ahnen. Alle Individualnummern liegen zwischen 250 und 5250. Dadurch kann jede Breguet zurückverfolgt werden wie es einem Kunstwerk mit Provenienz zusteht.

  • 1783 führte Breguet durch Hitzeeinwirkung gebläute Stahlzeiger mit durchbrochenen, exzentrischen Kreisspitzen in Form eines Apfels ein. Vor der Erfindung lumineszierender Materialien war der Kontrast von kräftigem Blau auf silbernen Grund die bestmögliche Lösung für die Ablesbarkeit. Die extrem schlanke Form als Kontrast zu den barocken Zeigern der damaligen Zeit unterstreicht diese form follows function Ästhetik. Entsprechend präzise enden die Spitzen der Zeiger auch bei den Ziffern bzw. Punkten zur Zeitablesung.

  • Seit 1786 verwendet Breguet von Hand guillochierte Zifferblätter. Im Gegensatz zu anderen Herstellern werden keine Zifferblätter geprägt, sondern die filigranen Muster entstehen, indem diese von Hand bedient mit einem Stichel aus dem Vollen einer Goldplatte herausgearbeitet werden. So kann mit der Genauigkeit eines Zehntelmillimeters die Struktur des Zifferblatts für die jeweiligen Funktionen gestaltet werden. Der Mittelteil weist hier das klassische Clou-de-Paris-Muster auf, die Ziffern für die Stunden sind auf einem gebürsteten Ring aufgebracht. Die Minuten werden alle fünf Einheiten durch aufgesetzte Cabochons aus Gold markiert. Der Zwischenraum zwischen den Minuten ist durch ein guillochiertes Rillenmuster genau ablesbar. Am Ende wird das goldene Zifferblatt versilbert. Auf dem polierten Stundenring ist bei genauem Hinsehen der kreisförmige Bürstenstrich der Versilberung zu erkennen. Neben der exemplarischen Ablesbarkeit ergibt sich dadurch auch ein spannendes Spiel des Lichts auf den unterschiedlichen Texturen.

  • Schon früher wurden besonders hochwertige Produkte gefälscht. Breguet war einer der Ersten, der daraufhin die Bedeutung einer Marke und ihrer Authentifizierung erkannte. 1795 wurde das geheimes Breguet Signet eingeführt. Es findet sich heute auf beiden Seiten der 12 und wird bei flachem Lichteinfall sichtbar.

  • Der Gehäusemittelteil besitzt Kannelüren, eine vertikale Rippung. Vermutlich geht diese darauf zurück, dass Taschenuhren dadurch sicherer in der Hand liegen sollten. Diese Form wird von Hand feinbearbeitet. Anschließend werden die Bandanstöße angelötet. Sie verfügen über massive Stege mit Gewinde, um zweifelhafte Federstege zu umgehen. Auch die Dornschließe ist geschraubt.

  • Selbst die Alligatoren, die für die Armbänder gestorben sind, müssen sehr prächtig gewesen sein. Die Schuppen sind nahezu perfekt rechteckig und sehr groß.



Das Werk





Dreht man die Uhr um, wird das Werk sichtbar. Das Kaliber 502.3 wird ausschließlich von Breguet und für Breguet hergestellt – mit einem sehr großen Anteil von Handarbeit. In Zeiten, in denen bei anderen Unternehmen automatisiert aus der Fabrik fallende Werke für das Etikett „Manufaktur“ herhalten, ist das eine so einfache wie wichtige Feststellung. Es handelt sich um eine in wesentlichen Punkten behutsam weiterentwickelte Version des 1967 patentierten F. Piguet-Kalibers. So wurden moderne Silikonbauteile eingesetzt und die Frequenz leicht erhöht auf drei Hertz. Dass Breguet es ernst meint, zeigt sich auch darin, dass das Werk in sechs Positionen reguliert wird (und nicht fünf wie ein normales Chronometer). Breguet nutzt dieses Kaliber auch mit Modulen wie z.B. Kalender und Mondphase in sehr teuren Modellen. Deshalb erhält hier in diesem „Einsteiger“-Modell ein hervorragendes Finish. Hervorzuheben ist die Anglage von Innenwinkeln von Hand, die präzise Gold-Füllung der Gravuren, die mit Winkeln versehenen Schrauben sowie die teilweise mit einem Winkel versehenen und auf Spiegelglanz polierten Aufnahmen der Schrauben. Schließlich ist auch der 22 Karat Rotor von Hand guillochiert im Muster „Grain d´orge“. Hoffen wir, dass Stendhal Recht behält, der 1817 schrieb: „Breguet fertigt eine Uhr, die in zwanzig Jahren nicht ein Mal falsch geht.“



Das Tragegefühl



Drehen wir die Uhr wieder um und legen wir sie an. Sie trägt sich traumhaft, ob zu Anzüge, oder zum Kaschmirpullover. Einerseits hat sie durch die verschiedenen Oberflächen eine starke Wirkung, Blicke anzuziehen. Andererseits gleitet sie von allein unter jede Manschette, wenn sie eben nicht glänzen soll und zudem fällt sie „normalen“ Menschen als schön, aber nicht als protzig auf. Da passt es ins Bild, dass die massiv weißgoldene und verschraubte Dornschließe auf der Außenseite nicht gelabelt ist. Im Gegenteil habe ich mir eine Lupe und eine Makro-Optik gekauft, damit ich die Uhr in allen Details genießen kann.


Hier geht es darum, dass man selbst Freude an diesem Gegenstand hat. Hier geht es nicht um die Bewunderung von Anderen. Das macht für mich den wirklichen Luxus aus. Wenn ich heute aufwache, schaue ich immer als erstes in die Uhrenbox und freue mich über meine Breguet wie es Balzac 1833 beschrieben hat: „Er zog die delikateste flache Uhr hervor, die Breguet jemals gebaut hatte.“



Die Box




Die Box hat eine längliche Form wie für ein Instrument und ist außen aus Walnuss-Holz im Klavierlackglanz und innen aus hellem Rauleder von der auf Humidore spezialisierten italienischen Firma Gentili Fabrizio gefertigt.



Fakten zur Breguet Classique Referenz 5157


Gehäuse:


  • Classique extraflach in 18 Karat Weißgold

  • 38 mm x 5.4 mm, 44 mm Lug to Lug

  • Versilbertes, handguillochiertes Goldzifferblatt

  • Saphirglas und -boden.

  • Wasserdicht bis 3 bar ( 30 m )


Werk:


  • Kaliber 502.3 (Basis F. Piguet 70/71)

  • Höhe 2.4 mm

  • Automatik mit ¾-Rotor in 22 Karat Weißgold (guillochiert)

  • Spirale und Anker aus Silizium.

  • 35 Steine, 140 Teile

  • Gangreserve 45 h

  • In sechs Positionen reguliert

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